Fotograf für Portraits und Reportagen aus Köln

Von geplatzten Plänen, meinem Studio und einem Tornado

Ich habe mich schon viele Zeilen schreiben sehen, aber, dass ich mal über einen Tornado schreiben werde, wär mir nicht im Traum eingefallen. Vielleicht zum Glück, vielleicht wollte das Leben mir aber noch einmal zeigen, was meine Pläne eigentlich wert sind. Heute vor vier Wochen platzten innerhalb von Sekunden alle meine Pläne und Vorsätze für 2024.

Donnerstag, der 21. Dezember 2023

Wir hatten zum 1. Dezember gerade den Umbau im Rahmen der Studiovergrößerung abgeschlossen und das erste Mal zur kleinen Weihnachtsfeier geladen. Jetzt waren es schon nur noch ein paar Tage bis Weihnachten. Ich lag gut in meinem Zeitplan und hatte mir vorgenommen, an diesem Donnerstagabend nun meinen Schreibtisch aufzuräumen, meine Festplatten wegzuschließen, meine Kameras wegzupacken und Freitag ganz entspannt meinen privaten Stuff für die Weihnachtsfeiertage bei der Familie zu packen.

Also war ich noch zu früher Abendstunde im Studio. Ich wusste, dass es für Köln eine Unwetterwarnung gab und dass es wohl gegen Abend ungemütlich werden könnte. Was dann passierte, hab ich aber nicht kommen gesehen.

In Köln-Poll ist tatsächlich ein Tornado kurz vor Weihnachten durch das Viertel gefegt. Eine Analyse der von Meteorologen anerkannten “Tornadoliste Deutschland” zeigt, dass sich die Windhose im Sturmtief “Zoltan” gebildet hat. […] Der Tornado soll mit einer Geschwindigkeit von 220 km/h von Poll über das linksrheinische Rodenkirchen bis nach Toisdorf Oberlar gezogen sein. Das entspricht der Stärke F2 nach der Fujita-Skala, nach der die Intensität von Tornados bemessen wird.”

WDR

Ein paar Minuten war ich schon im letzten Facetime-Call mit Max, als sich langsam Sturmtief Zoltan bemerkbar machte. Der Wind fing kräftig an zu pfeifen, als es plötzlich begann nach Hagel auf unseren Oberlichtern zu klingen. Ein wenig verwirrt, verließ ich den Schreibtisch und schaute durch meine Studiofenster auf den Parkplatz. Von Hagel keine Spur, allerdings sah ich viel Regen und ordentliche Windböen. Ich entschied, dass ich doch noch was länger im Studio zu bleiben und wenn das Wetter wieder ruhiger werden sollte nach Hause aufzubrechen.

Ich ging die Treppen in die obere Studio-Etage und holte Johanna und mir den letzten Rotwein aus dem Schrank. Auf dem Rückweg blieb ich an der Treppe stehen. Die Stahlträger der Dachkonstruktion brummten und die Oberlichter ächtzten unter den Windböen. So einen Sturm hatte ich trotz einiger heftiger Winde im Studio noch nicht miterlebt. Ich beobachtete gerade die Konstruktion aus Aluminiumschienen und Doppelstegplatten als es erst Tag hell wurde und dann mit einem lauten Knall das Oberlicht über der Treppe nach innen eingedrückt wurde. Gleichzeitig begann Staub von der Betondecke zu rieseln.

Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich nicht kurz davor war unter den Konferenztisch zu springen. Ich entschied mich dagegen und schmiss Wein und Gläser in die Werkzeugkiste neben der Tür, um einen Blick in den Flur der 3. Etage zu werfen. Ich öffnete die Studio-Tür und spürte bereits den Wind durch den Flur ziehen. Die Feuermelder kreischten, Staub viel von der Decke und am Ende des Flurs konnte ich schon Dämmung und kleine Trümmer auf dem Boden erkennen.

Also entschied ich, dass wir das Haus sofort verlassen. Durch die zweite Etage flüchteten Johanna und ich lediglich mit den MacBooks unter dem Arm in Richtung Treppenhaus, um ins Erdgeschoss zu kommen.

Mit einigen anderen Künstler:innen aus dem Haus begaben wir uns im Erdgeschoss in Richtung Eingang, wo wir auf die Feuerwehr warteten, während ich versuchte meine Nachbarn aus dem dritten Stock anzurufen.

Als Fotograf durch und durch machte ich in der Nacht genau vier schlechte Fotos mit meinem iPhone.

Als die Feuerwehr das Haus nach einer kurzen Begehung im 3. Stock vorsorglich sperrte, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Das Ausmaß des Schadens war zu dem Zeitpunkt weder für mich noch für viele meiner Kolleginnen abzusehen.

Am 24. Dezember durfte ich zum ersten Mal wieder in mein Studio, um das wichtigste zu retten. Kameras, Festplatten, Monitore. Alles, was das Home-Office ermöglicht, wurde in knapp einer Stunde von meinem Vater und mir herausgeholt. Der Rest notdürftig in der zweiten Etage unter der Empore gelagert und inzwischen mit einer Gewebeplane abgedeckt.

Vier Wochen danach

Heute, fast vier Wochen später, weiß ich, dass ich ziemliches Glück hatte. Zwar ist das Dach immer noch nicht repariert und das Studio nicht nutzbar, aber dank der Vergrößerung hat sich mein persönlicher Schaden bisher in Grenzen gehalten. Das wichtigste konnte ich sichern und wenn nichts weiter passiert, bin ich hoffentlich mit einem wörtlichen “blauen Auge” davon gekommen. Das wird die Zeit nun zeigen.

Bei einigen Kolleginnen sieht das leider aus. Sturm Zoltan und der sich gebildete Tornado hat ihre gesamten Ateliers zerstört. Soweit ich weiß, sind aktuell fünf Ateliers praktisch weggefegt und nicht mehr existent. In vielen andere drang oder dringt Wasser ein. Auch hier wird die Zeit wohl erst das gesamte Ausmaß verdeutlichen.

Was mich positiv stimmt

Wir haben einen – glaube ich – ziemlich korrekten Eigentümer, der schon in der Nacht aktiv geworden ist und sich wahrscheinlich genauso im Krisenmodus befindet wie wir. Wir haben eine gut aufgestellte Verwaltung und schon am 22. Dezember begannen die ersten Handwerker mit der Schadensminimierung.

Das heißt zwar nicht, dass nicht noch mehr kaputtgehen kann, oder es doch noch schlechte Nachrichten in der Zukunft geben wird, aber ich habe das Gefühl, dass alle ihr Bestes geben, damit es schon bald wieder weitergeht.

Mein Nachbar Michael, der in der Sturmnacht auch in seinem Atelier in der 3. Etage war, hat es in einer E-Mail im internen Hausverteiler mit schönen Worten zusammengefasst:

Wir versuchen es mit Optimismus: Dritte Etage Back Stage war legendär – und wird es früher oder später auch wieder sein.

Michael

Mein Netzwerk rettet mir den Arsch

Ich habe vor vier Wochen auf @threads gepostet, was passiert ist. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nichts mehr außer mein MacBook, mein iPhone und wusste auch nicht, ob und wann ich überhaupt nochmal ins Studio darf. Auf Threads und Instagram haben sich daraufhin so unfassbar viele Menschen von euch gemeldet, die mir ihre Hilfe angeboten haben. Egal, ob es das Leihen von Technik und Equipment, Plätze in Büros und Studios oder auch jegliche andere Hilfe war. Ich habe zwar immer noch nicht alle Nachrichten beantwortet, aber ich habe alles gelesen und wahrgenommen.

Schon in den ersten Wochen des noch jungen Jahres hat mir mein Netzwerk aus Bekannten und Unbekannten den Arsch gerettet.

Was in wenigen Sekunden passieren kann, lässt sich schwer in fünf Minuten schreiben

Ich hatte mir schon länger vorgenommen, das alles hier niederzuschreiben. Fand aber bisher keine ruhige Minute. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Beitrag noch etwas wachsen wird, jetzt bin ich aber erst einmal froh, dass ich es vor allem für mich archiviert habe. Gelernt habe ich, dass meine Pläne nur so gut sind, wie das Leben es zulässt und, dass 2024 wohl ein ziemlich wildes Jahr werden wird. Auf Pläne hab ich aktuell sowieso keinen Bock, also heißt es auch hier: Wir werden sehen, was die Zeit bringt und ich freue mich umso mehr auf mein erstes Shooting im “neuen” Studio.

PS: Wie ein Wunder ist niemand verletzt worden!
PPS: Aus Dry January wurde natürlich auch nichts! 😉

Januar 2024

Fast alles steht seit Wochen jetzt in der 2. Etage unter der Empore und wird von einer Gewebeplane geschützt. Das Wasser, was durch die defekten Oberlichter ins Innere kommt, wird auf einer Konstruktion aus Holzlatten, Plane und Gaffaband abgefangen und gesammelt.

Der Februar beginnt mit einer positiven Überraschung

Am 2. Februar erwartet mich eine positive Überraschung. Beim Kontrollbesuch im Studio, sind die Dachdecker bereits dabei, die defekten Doppelstegplatten und die verbogenen Aluminiumschienen aus dem Oberlicht auszubauen. Für kurze Zeit gibt’s jetzt auch aus der 3. Etage einen direkten Domblick. Insgesamt zwei Schienen und drei Platten aus dem zerstörten Gebäudeteil bilden jetzt erstmal das neue Oberlicht.

Innen kann jetzt durch das nun wieder verschlossene Dach mit dem Entfeuchten des Raumes begonnen werden.

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Comments 12
  1. Hey Ben,

    ich bin froh darüber, dass niemanden etwas passiert ist. Es hat mir sehr leid getan und schockiert, dass diese Naturgewalt das Kunsthaus, dein Studio und die Umgebung so zugerichtet hat.
    Schön das du so viel Hilfe bekommen hast und der Eigentümer direkt reagiert hat. Mit den Worten von John Lennon:

    „Das Leben ist das was passiert, während wir dabei sind, andere Pläne zu machen.“

    Danke für deinen Bericht und alles Gute
    Nadine

  2. Hey Ben, folge dir seit geraumer Zeit bei IG und bin mit meinem Sohn und meiner Hündin zwischen den Jahren an den Poller Wiesen gewesen – soweit das Hochwasser dies zuließ….wusste gar nichts vom Ausmaß der Schäden bis ich die zerlegte Halle am Bahndamm liegen sah und bei näherer Begutachtung auch euer Ateliergbäude im Hintergrund der Unterführung entdeckte…..krass.
    Es freut mich zu lesen, dass dein NETTzwerk so gut funktioniert hat und nachwievor funktioniert.
    Das freut mich sehr für dich neben dem Umstand, dass du weitestgehend verschont worden bist – von Gebäudeschäden abgesehen!
    Ich hoffe, dass die Schäden bald behoben sind und du endlich in den Genuss des neuen Studios kommst, so dass sich deine Community an deinem Output erfreuen kann….

    LG, Volker

    1. Hej Volker, danke für deine Nachricht. Die Poller Wiesen sind immer ein lohnenswerter Ausflug. Ich glaube die wahren Auswirkungen kennt man auch nur, wenn man dabei war. Der Rest hat sich kurz vor Weihnachten versendet. Sobald das Studio wieder steht oder das Haus ein Eventplant, sag ich auf Instagram Bescheid. Dann bist du mit Sohn und Hündin herzlich eingeladen.

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